Chancen für Fitness- und Gesundheitseinrichtungen
Für Fitness- und Gesundheitseinrichtungen eröffnet sich hier ein stark wachsender Markt. Mit über 11,7 Millionen Mitgliedern zählt die Branche zu den größten gesundheitsorientierten Dienstleistern in Deutschland (DSSV, 2025). Viele Studios verfügen über qualifiziertes Fachpersonal, Präventionsangebote nach § 20 SGB V sowie moderne Infrastruktur. Diese Ressourcen ermöglichen es, über das klassische Fitnesstraining hinauszugehen und Unternehmen maßgeschneiderte BGM-Angebote zu machen. Während standardisierte Programme häufig nicht die gewünschten Wirkungen entfalten, sind individuell abgestimmte Maßnahmen in der Lage, branchenspezifische Belastungsprofile zu berücksichtigen (IGES, 2021).
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zudem, dass Investitionen in BGM nicht nur die Fehlzeiten reduzieren, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigern und einen positiven Return on Investment (ROI) erzielen (Barthelmes et al., 2019; Petry & Bruch, 2019). Unternehmen, die systematisch in die Gesundheit ihrer Belegschaften investieren, berichten von einer höheren Bindung der Mitarbeitenden, einem verbesserten Betriebsklima und gesteigerter Attraktivität als Arbeitgeber.
Anforderungen an Fitnesseinrichtungen im BGM-Kontext
Wer als Fitnessstudio oder Gesundheitsanbieter im betrieblichen Kontext überzeugen möchte, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Räumlichkeiten: Barrierefreiheit, separate Kursräume und ruhige Zonen für Entspannungsangebote sind essenziell.
- Equipment und Angebotsstruktur: Neben klassischen Trainingsgeräten sollten gesundheitsorientierte Tools (z. B. für Rückentraining oder Faszienarbeit) verfügbar sein.
- Fachliche Qualifikation: Trainer mit Zusatzqualifikationen im Bereich Prävention, Psychosoziale Gesundheit oder BGM sind gefragt.
Ebenso wichtig ist die Flexibilität im Angebot: Präsenzkurse im Unternehmen, digitale Live-Trainings oder hybride Workshopformate erlauben eine breite Abdeckung – auch für Mitarbeitende im Homeoffice oder Schichtbetrieb.
Strukturierter Einstieg: Die 90-Tage-Roadmap
Phase 1 (0–30 Tage): Analyse & Positionierung
- Marktanalyse regionaler Unternehmen (Krankenstand, Branche, Größe)
- Eigenanalyse: Welche Leistungen, Qualifikationen und Räume können eingebracht werden?
- Erstellung eines Leistungskatalogs (z. B. Prävention, Stressmanagement, Bewegung)
- Entwicklung erster Marketingunterlagen (Flyer, Landingpage, Präsentation)
Phase 2 (31–60 Tage): Akquise & Pilotierung
- Kontaktaufnahme zu mindestens 5–10 Unternehmen aus relevanten Branchen
- Angebot kostenfreier Erstworkshops oder Gesundheitstage zur Vertrauensbildung
- Erarbeitung eines Kooperationsmodells (z. B. Firmenmitgliedschaften, mobile Angebote)
- Vertragsentwürfe mit steuerlichen Hinweisen vorbereiten
Phase 3 (61–90 Tage): Umsetzung & Evaluation
- Start erster Pilotprojekte (mind. ein Kooperationsunternehmen)
- Dokumentation und Evaluation der Maßnahmen (z. B. Teilnahmequote, Zufriedenheit)
- Erstellung von Referenzen & Best Practices zur weiteren Vermarktung
- Planung von Skalierungsschritten (weitere Unternehmen, digitale Module)
Diese Roadmap bietet einen strukturierten Fahrplan, mit dem Fitnessstudios innerhalb von drei Monaten systematisch in den BGM-Markt einsteigen können.
Praxisbeispiele aus den Branchen
Wie sich diese Roadmap in der Praxis auswirkt, zeigen zahlreiche Best-Practice-Beispiele. In der Automobilindustrie implementierte ein Zulieferbetrieb gemeinsam mit einem regionalen Fitnessstudio ein BGM-Pilotprojekt mit Bewegungs- und Ergonomietrainings. Nach drei Monaten berichteten die Beschäftigten über eine deutliche Reduktion von Rückenschmerzen, und die Kurzzeitausfälle sanken um 12 % (IGES, 2021).
Im Dienstleistungssektor, insbesondere in Call-Centern, wurden aktive Pausenprogramme in Kooperation mit Gesundheitseinrichtungen eingeführt. Kurze Micro-Sessions zweimal täglich führten laut DAK-Gesundheitsreport (2023) zu einer spürbaren Reduktion der Stressbelastung und verbesserten die Pausenqualität.
Auch das Handwerk bietet erfolgreiche Beispiele. Ein mittelständischer Bau- und Installationsbetrieb nutzte die Roadmap, um zunächst eine Baseline zu erheben und anschließend wöchentliche Präventionsworkshops mit einem Fitnessstudio anzubieten. Innerhalb von drei Monaten sank die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, und 78 % der Mitarbeitenden gaben an, sich stärker an das Unternehmen gebunden zu fühlen (BAuA, 2023).
Im IT-Sektor wiederum haben sich hybride Angebote als besonders wirksam erwiesen. Beschäftigte im Homeoffice nahmen überdurchschnittlich häufig an Online-Workshops zu Bewegung und Stressbewältigung teil, was zu höheren Teilnahmequoten und verbesserten subjektiven Gesundheitsbewertungen führte (Petry & Bruch, 2019).
Darüber hinaus lassen sich Erfolge in weiteren Branchen nachweisen. Im Pflege- und Gesundheitswesen wurden Rückenschulungen und Stressmanagement-Workshops implementiert, die zu einer Reduktion arbeitsbedingter Beschwerden um 15 % führten (WIdO, 2022). In der öffentlichen Verwaltung etablierte eine Stadtverwaltung ein Programm mit kurzen Bewegungseinheiten und ergonomischen Checks, das Fehlzeiten durch Muskel-Skelett-Erkrankungen spürbar senkte (BAuA, 2023). Auch der Einzelhandel liefert Beispiele: Eine große Lebensmittelkette startete mit regionalen Studios Präventionskurse und Ernährungsworkshops. Die Teilnahmequote lag bei über 60 %, während die Zahl der Kurzzeitausfälle um rund 10 % sank (DAK, 2023). Im Bereich Transport und Logistik führten digitale Bewegungsprogramme für Fahrer und Workshops zu Ernährung und Schlafhygiene zu einer Verringerung der Unfallzahlen und zu einer höheren subjektiven Leistungsfähigkeit (IGES, 2021). Schließlich implementierte ein Finanzinstitut aus dem Banken- und Finanzwesen ein BGM-Programm mit Bewegungskursen und psychologischen Kurzinterventionen. Bereits nach drei Monaten zeigten sich deutliche Reduktionen von Stresssymptomen und eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit, gemessen über standardisierte Fragebögen (Petry & Bruch, 2019).
Diese Praxisbeispiele belegen, dass die Kombination aus klarer Struktur, branchenspezifischer Anpassung und professioneller Begleitung durch Fitness- und Gesundheitseinrichtungen zu nachweisbaren Erfolgen führt. Entscheidend ist dabei, dass innerhalb kurzer Zeit belastbare Ergebnisse vorliegen, die sowohl die Gesundheit der Beschäftigten verbessern als auch die Wirtschaftlichkeit für Unternehmen sichtbar machen.
Fazit
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist heute kein optionales Zusatzangebot mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Angesichts steigender Krankheitskosten, wachsender psychischer Belastungen und des demografischen Wandels entwickelt es sich zu einer zentralen Säule moderner Unternehmensführung. Für Fitness- und Gesundheitseinrichtungen ergeben sich daraus große Chancen. Wer qualifiziertes Personal, moderne Infrastruktur und eine klare Strategie kombiniert, kann in nur 90 Tagen von der ersten Kontaktaufnahme bis zu einer belastbaren Entscheidung über die Skalierung gelangen. Die zahlreichen Praxisbeispiele aus Automobilindustrie, Dienstleistung, Handwerk, IT, Pflege, Verwaltung, Einzelhandel, Logistik und Finanzwesen verdeutlichen, dass diese Vorgehensweise nicht nur theoretisch sinnvoll ist, sondern in der Praxis bereits vielfach erfolgreich umgesetzt wurde. Damit tragen Fitness- und Gesundheitseinrichtungen nicht nur zur Gesundheit der Beschäftigten bei, sondern sichern auch ihre eigene Position im wachsenden Gesundheitsmarkt.
Aufstiegskongress: BGM in herausfordernden Zeiten – wie können Fitnesseinrichtungen davon profitieren?
Quellen:
- Arbeitgeberverband Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV); Deloitte; Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) (2025): Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft '25. Hamburg: Arbeitgeberverband Fitness- und Gesundheits-Anlagen.
- Badura, B., Ducki, A., Schröder, H. (2021). Fehlzeiten-Report 2021. Springer
- Barthelmes, Ina; Bödeker, Wolfgang; Sörensen, Jelena; Kleinlercher, Kai-Michael; Odoy, Jennifer (2019): Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention. Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Dresden (iga.Report, 40).
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (2024): Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2023. Dortmund.
- DAK (2023). Gesundheitsreport 2023 – Psychische Gesundheit im Fokus. Hamburg: DAK.
- GKV-Spitzenverband (2022). Leitfaden Prävention. Berlin.
- IGES Institut (2021). Evaluation betrieblicher Gesundheitsförderung in KMU. Berlin.
- Ilmarinen, J. (2007). The Work Ability Index (WAI). Helsinki.
- IW (2023). Fachkräftemangel in Deutschland – Projektion 2035. Institut der deutschen Wirtschaft.
- Petry, T., & Bruch, H. (2019). Return on Health – Wirtschaftlicher Nutzen von BGM. Haufe.
- WIdO (2022). Fehlzeiten-Report 2022. Berlin.
- Spahlholz, J., & Schilling, M. (2020). Qualität in der Gesundheitsförderung. DGUV Report.