Forscher arbeiten an neuen Heilmethoden für Krebs

Laut eines aktuellen Berichts von „FOCUS Online“ erhält jeder zweite Deutsche im Laufe seines Lebens die Diagnose Krebs. Neben den steigenden Erkrankungszahlen verbessern sich allerdings auch die Heilungschancen von Betroffenen. Prof. Dr. Dirk Jäger, Leiter der Abteilung Medizinische Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankung in Heidelberg (NCT), erklärt dem FOCUS, an welchen Methoden Forscher arbeiten, um diese positive Entwicklung weiter voranzutreiben.

 

Prof. Dr. Dirk Jäger

Prof. Dr. Dirk Jäger

So sieht die Medizin der Zukunft aus

Forscher arbeiten unter Hochdruck an neuen Methoden, um die Heilungschancen für Patienten zu verbessern. Univ.-Prof. Dr. Dirk Jäger erklärt, was die Medizin in Zukunft noch alles leisten kann. Er sieht die Zukunft der Krebsmedizin in drei Bereichen: Genomik, Immuntherapie und Big Data.

Genomik

Bisher war für die Wahl einer geeigneten Behandlungsmethode entscheidend, welches Organ vom Krebs befallen war. Heutzutage existiert jedoch ein anderes Verständnis von Tumorerkrankungen, erklärt Jäger. Dank molekularer Analysen, die sich unter den Begriff „Genomik“ fassen lassen, weiß man heute, dass „keine zwei Patienten molekular komplett vergleichbar sind“.
Daher ist das Ziel eine möglichst individuelle Therapie, die perfekt auf einen einzelnen Patienten zugeschnitten ist. Da das sehr aufwendig und heute noch nicht möglich ist, arbeiten Forscher mit sogenannten genetischen Subgruppen: Gruppen von Patienten, die eine bestimmte genetische Veränderung gemein haben. Es wird vermutet, dass bei diesen Personen eine Therapie besonders gut wirken könnte, die gerade diese genetische Schwachstelle der Tumorzellen ausnutzt.

Immuntherapie

In den letzten Jahren wurde die Onkologie durch die Immuntherapie revolutioniert, sagt Dirk Jäger. Das körpereigene Immunsystem eines Patienten soll für die Krebstherapie eingesetzt werden, denn es ist in der Lage, Tumorzellen zu erkennen und abzutöten. „Dieser Prozess ist völlig normal und läuft in uns allen jeden Tag hundertfach ab“, erklärt Dirk Jäger. „Wenn es uns gelingt, die volle Power des Immunsystems und seine Möglichkeit, zwischen Tumor und Nicht-Tumor zu unterscheiden, therapeutisch einzusetzen, haben wir eine unschlagbare Therapie“.

Big Data

Eine weitere Kritik an der bisherigen Behandlung ist die oberflächliche Datenerhebung: An welchem Organ sitzt der Tumor? Wie groß ist er? Haben sich Metastasen gebildet?
„Das ist eine sehr oberflächliche Beschreibung der Erkrankung“, sagt der Onkologe.
Denn je mehr Daten vorhanden sind, desto präziser kann ein Arzt vorhersagen, welche Therapie für einen Patienten geeignet wäre und wie gut oder schlecht er vermutlich auf eine bestimmte Maßnahme ansprechen würde. Dafür sind jedoch nicht nur eine Vielzahl an Daten notwendig, sondern auch entsprechende Computerprogramme, die mit diesen Daten umgehen, sie analysieren und sinnvoll aufbereiten können.

Neue Wege der Behandlung

Individuelle Therapien sind die Zukunft: „Standard-Therapien wurden für große Patientenkollektive gemacht unter der falschen Annahme, dass Patienten miteinander vergleichbar seien“, erklärt Jäger.
Patienten sollen zukünftig molekular und immunologisch so tiefgehend wie möglich analysiert werden, um eine optimale Therapie zu entwerfen: „Das Ziel wäre, ein Medikament, das für keinen anderen Patienten sinnvoll wäre, nur für einen einzelnen Patienten herzustellen.“
Es existieren bereits Studien, bei denen Patienten zuerst genetisch analysiert werden, um alle Krebsmutationen zu finden. Dabei werden diejenigen Mutationen identifiziert, die für das Immunsystem besonders gut sichtbar sind. Anschließend bauen Mediziner ein Medikament, das genau diese Mutationen enthält. Das Immunsystem soll bei Einnahme des Medikaments „anspringen“ und die Mutationen aus dem Medikament, sowie alle anderen im Körper vorhandenen Krebsmutationen, bekämpfen.

In der Realität umsetzbar?

Im Vergleich zur bisherigen Therapie ist die neue Methode sogar günstiger: Aktuell kostet die Behandlung mit einem individuellen Medikament rund 100.000 Euro, erklärt Jäger, Personalkosten nicht einberechnet. Das individuelle Medikament ist aber zur einmaligen Therapie gedacht: Eine einzige Infusion soll einen gesamten Tumor auslöschen.
Ein Problem könnten jedoch die Gesetze zur Datenerhebung und zum Umgang mit genmodifizierten Zellen darstellen: „In Deutschland sind wir da überreguliert“, kritisiert der Professor. Es sei daher schwierig an genetisch veränderten Immunzellen zu arbeiten. In den USA sind bereits Therapien mit genmodifizierten Zellen zugelassen, in Deutschland gibt es aktuell noch nicht einmal die Erlaubnis für erste Studien mit solchen Zellen.

Hinzu kommt, dass die Richtlinien zum Datenschutz hierzulande sehr strikt sind. Ärzte können beispielsweise nicht einfach Daten eines Patienten mit einer Biotech-Firma oder einem anderen Institut teilen, um sie in einen großen Daten-Pool einzuspeisen. „Da existieren zum Teil recht hohe Hürden, die nicht im Sinne des Patienten sind“, meint Jäger. „Die Patienten haben meist relativ wenig Probleme mit dem Schutz ihrer genomischen, molekularen und immunologischen Daten.“
Dirk Jäger zeigt sich jedoch zuversichtlich: „Ich erwarte, dass wir innerhalb der nächsten fünf Jahre fundamentale Fortschritte in der Krebstherapie sehen. Wir werden sicherlich alle zwei Jahre einen Meilenstein definieren können, der die onkologische Welt verbessert.“

Gemeinsames Angebot des NCT Heidelberg und der DHfPG/BSA-Akademie

Um während und nach einer Krebserkrankung die Therapieverträglichkeit zu verbessern, Nebenwirkungen zu vermindern und in Summe die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen, empfehlen Mediziner körperliche Aktivität. Die Bedeutung eines bewegten und aktiven Lebensstils stellen auch die Angebote der BSA-Akademie und ihres Schwesterunternehmens, der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG), in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg wurden verschiedene Angebote entwickelt.

Mit der BSA-Akademie zum „Trainer/in für Fitnesstraining in der Krebsnachsorge“

Absolventen des Lehrgangs zum „Trainer für Fitnesstraining  betreuen ehemalige Krebsbetroffene nach Therapieabschluss. Durch gesundheitsorientiertes Fitnesstraining helfen sie ihnen, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zu steigern sowie Spätfolgen der Therapie entgegenzuwirken. Dabei gehen sie auf individuelle Bedürfnisse ein.

Das Kursprogramm „Aktiv leben nach Krebs“ ermöglicht ehemaligen Krebsbetroffenen den Einstieg in ein aktives Leben nach der Erkrankung. Im Saarland wird das Programm von der IKK Südwest unterstützt.

Eine bundesweit einmalige akademische Qualifizierungsmöglichkeit im Bereich von körperlicher Aktivität und Krebs wurde von DHfPG und NCT mit dem interdisziplinären Master-Studienschwerpunkt „Lebensstilintervention und Krebs“ im Rahmen des Master-Studiengangs „Prävention und Gesundheitsmanagement“ geschaffen. Absolventen dieses Master-Studienschwerpunktes können zusätzlich die Berufsbezeichnung „Sport- und Bewegungstherapeut DVGS Onkologie“ erwerben.

Weitere Informationen:

„Trainer/in für Fitnesstraining in der Krebsnachsorge“
Projekt „Aktiv leben nach Krebs“
Master of Arts Prävention und Gesundheitsmanagement
„Sport- und Bewegungstherapeut DVGS Onkologie“